101

Chemie der Liebe Beim Küssen spielen unsere Hormone verrückt

Wenn sich Verliebte küssen, spielen nicht nur die Schmetterlinge im Bauch verrückt. Amors Pfeil krempelt unser komplettes Innenleben um. Die Folgen sind Symptome wie beim Drogenrausch. Der 6. Juli - der Tag des Kusses - ist diesem ganz besonderen Gefühl gewidmet.

Stand: 06.07.2022

Es hat gefunkt, schon der Gedanke an den Anderen lässt das Herz bis zum Hals klopfen - und wehe, man sieht die neue Flamme länger nicht: Dann wird das Ziehen in der Brust schier unerträglich. Was ist passiert? Amor hat getroffen - und damit die Biochemie der Liebe in Gang gesetzt. Und die fängt schon beim Küssen an.

Küssen in Zahlen

An einem Kuss sind über 30 Gesichtsmuskeln beteiligt plus mehr als einhundert weitere Körpermuskeln. 4.000 Bakterien werden von Mund zu Mund ausgetauscht, die durch antimikrobielle Enzyme im Speichel die Zähne vor Karies und Parodontose schützen. Mehr als 100 Milliarden Nervenzellen werden angeregt, Botenstoffe aktiviert, Hormone ausgeschüttet. Vor allem sind das Glückshormone wie Serotonin, Adrenalin und Endorphine. Und ein Kuss verbraucht - je nach Einsatz - bis zu zwölf Kalorien, man tut also sogar etwas für seinen Energieumsatz.

Beim Küssen werden im Körper sehr viele, verschiedene Reaktionen losgetreten. Unser Herz schlägt schneller, der Puls steigt, wir fühlen uns beflügelt. Gleichzeitig wird uns warm, der Körper wird quasi in positiven Stress versetzt. Die Durchblutung wird gefördert und strafft sogar unsere Haut. Einige Mediziner sind der Meinung, dass Küssen gesundheitsfördernd ist, da es Herz und Immunsystem stärkt. Und uns Deutschen gefällt das - über 50 Prozent gaben bei einer Umfrage 2008 an, dass sie küssen, so oft es geht.

Romeo und Julia gleichen sich an - hormonell

Frisch verliebt, dieser Zustand soll möglichst lange andauern, der neue Partner doch bitte für immer bleiben. Damit dies nicht von vornherein schief läuft, gleichen sich Romeo und Julia – zumindest hormonell gesehen - an: Bei Männern sinkt die Menge des männlichen Sexualhormons Testosteron stark, bei Frauen ist es genau umgekehrt. Das hat 2004 die italienische Wissenschaftlerin Donatella Marazziti von der Universität Pisa in einer Studie herausgefunden, bei der sie Blutproben untersucht hat.

Was Zwangneurotiker und Verliebte gemeinsam haben

6. Juli - Internationaler Tag des Kusses

Der weltweite Tag des Kusses soll an den Genuss des Küssens erinnern. Und natürlich soll er zum Küssen aufrufen. Dabei muss man nicht den Rekordkuss von 58 Stunden, 35 Minuten und 58 Sekunden, aufgestellt am 14. Februar 2013 in Thailand, übertreffen. Aber man muss auf jeden Fall durchschnittlich 38 Gesichtsmuskeln anstrengen, damit ein intensiver Kuss gelingt.

Desweiteren fand Marazziti heraus, dass bei Verliebten der Serotoninspiegel ähnlich sinkt wie bei Zwangsneurotikern. Denn ähnlich wie Zwangsneurotiker beschäftigen sich auch Verliebte stundenlang mit nur einer einzigen Sache - der angebeteten Person. Bei den Testpersonen lag der Pegel im Durchschnitt 40 Prozent unter dem Normalwert. Allerdings: Sobald die romantischen Gefühle nachließen, stieg auch ihr Serotonin-Pegel wieder.

Woher kommt der Valentinstag?

Rätselhafter Valentinstag am 14. Februar

Am 14. Februar feiern viele den Valentinstag als "Tag der Liebenden". Dann gibt's kleine Aufmerksamkeiten - und besonders häufig Blumen. Woher der Brauch tatsächlich stammt und auf welchen Valentin sich dieser Tag bezieht, darüber wird viel spekuliert.

Die Römer

Die Wurzeln des Valentinstags sollen bis in die Antike reichen. Die Römer feierten Mitte Februar die Göttin Juno, die Beschützerin von Ehe und Familie. Die Frauen bekamen Blumen geschenkt. Ebenfalls um den 14. Februar wurde das Fest des Hirtengottes Lupercus begangen. In einer Art "Liebeslotterie" mit gezogenen Namenszetteln fanden junge Frauen und Männer zueinander.

Valentin I

Michael Blume, Religions- und Politikwissenschaftler, sieht den Ursprung des Brauchs in Valentin von Rom. Der christliche Priester wurde im 3. Jahrhundert nach Christus an einem 14. Februar hingerichtet. Er soll sich über das kaiserliche Gebot, die Regeln der römischen Armee und der Gesellschaft hinweggesetzt und Soldaten getraut haben. Die Paare soll er mit Blumen aus seinem Garten beschenkt haben. Ehen, die von Valentin geschlossen wurden, sollen der Überlieferung nach besonders glücklich verlaufen sein. Michael Blume erklärt, Valentin sei nicht gestorben für eine "süße Belanglosigkeit", wie es sie heutzutage am Valentinstag gibt. Er sei enthauptet worden "für eine religiöse Überzeugung: Glaube, Liebe, Familien seien auf Dauer bedeutender als Armeen und Staaten".

Valentin II

Im gleichen Jahrhundert lebte auch Bischof Valentin von Terni. In der Stadt nördlich von Rom soll er Kranke geheilt haben. Weil er seinem Glauben nicht abschwören wollte, soll er während der Christenverfolgungen auf Anweisung des römischen Kaisers Claudius II. (um 270) hingerichtet worden sein. Möglich, dass es sich dabei um die gleiche Person wie Valentin von Rom handelt, meint Religionswissenschaftler Michael Blume. Zumindest in der Verehrung des Heiligen Valentin seien beide Überlieferungen zusammengeflossen. An der nördlich von Rom verlaufenden Via Flaminia errichtete Papst Julius (337-352) eine Basilika mit dem Grab des Märtyrers. Die Verehrung des Heiligen ist ab circa dem Jahr 350 nachweisbar. Er galt als Patron der Bienenzüchter sowie der Verliebten und Brautleute.

Valentin III

Auch gab es einen Valentinus von Rätien, der aus den Niederlanden stammte und im 5. Jahrhundert nach Passau kam. Er wurde Bischof von Rätien für die Region zwischen Passau und Brixen und starb 475 als Einsiedler bei Meran. Dieser Valentin gilt als Helfer gegen Epilepsie - wie auch Valentin von Terni - sowie gegen Krämpfe, Gicht und Viehseuchen. Für das Bistum Passau ist er einer der Bistumspatrone. Sein Gedenktag ist der 7. Januar.

Valentinstag

Am 14. Februar ist nach dem alten katholischen Heiligenkalender das Fest des heiligen Valentin. Der Brauch, einem geliebten Menschen an diesem Tag etwas zu schenken, leitet sich aus den Heiligenlegenden und antiken Traditionen her. Als Fest der Jugend und der Liebenden wurde der Valentinstag seit dem späten 14. Jahrhundert zunächst in Frankreich und England begangen, breitete sich aber auch in andere europäische Länder und mit den Auswanderern nach Nordamerika aus. In Deutschland erklärten die Blumenhändler 1950 den Valentinstag zum "Tag der offenen Herzen".

Beim Küssen läuft der Körper auf Hochtouren

Küssen ist Höchstleistung und Energiespritze zugleich für unseren Körper.

Im seligen Zustand des Verliebtseins geht es im Körper auch sonst drunter und drüber. Das "Verliebtheitshormon" Phenylethylamin löst erotisches Interesse und Hochgefühl aus: Kuss, Kuss, Kuss und noch ein Kuss. Jetzt wird die Produktion des Zelltreibstoffs Adenosintriphosphat kräftig angekurbelt - das sorgt für die nötige Energie, damit das Herz schneller schlägt und die Lippen sich spitzen können. Die Atemfrequenz steigt, der Puls rast, die Gefäße weiten sich, der Kreislauf kommt in Schwung: Küssen ist für Wissenschaftler wie eine Energiespritze, die das Immunsystem stärkt und Stress abbaut.

Überraschende Fakten zum Küssen

Warum wir beim Küssen die Augen schließen.

Wissenschaftler gingen lange davon aus, dass Menschen beim Küssen die Augen schließen, weil ihnen das Gesicht des anderen so nahe kommt. Zwei Wissenschaftlerinnen fanden aber in einer Studie heraus, dass Menschen Berührungen intensiver wahrnehmen, wenn die Augen geschlossen sind. So müssen wir weniger Reize gleichzeitig verarbeiten und können uns auf einen Sinn konzentrieren.

Es gibt Kusswissenschaftler.

Sie heißen Philematologen und untersuchen zum Beispiel, wie viele Muskeln wir bei einem Kuss aktivieren (38).

Auf welche Seite wird der Kopf geneigt?

Eine andere Erkenntnis der Kussforscher: Zwei Drittel der Menschen neigen ihren Kopf beim Küssen nach rechts.

Küssen ist gesund.

Tatsächlich kann Küssen das Immunsystem stärken und dabei helfen, Stress abzubauen. Über den Speichel tauschen Küssende Bakterien und Viren aus, das trainiert die Immunabwehr. Gleichzeitig produziert der Körper beim Küssen sogenannte Neuropeptide, die wiederum Zellen aktivieren, die schädliche Viren und Bakterien vernichten. Wer aber zum Beispiel einen Erdnussallergiker küssen will, sollte keine Erdnüsse essen. Dann kann der Kuss im schlimmsten Fall tödlich enden.

Royaler Kussrekord

Bei royalen Hochzeiten wird die Länge des Hochzeitskusses gestoppt. Máxima und Willem-Alexander der Niederlande sind mit 5,3 Sekunden Spitzenreiter. Bei Charles und Diana reichte es gerade mal für 0,4 Sekunden.

Nicht alle Kulturen schätzen den Kuss.

US-Wissenschaftler haben die weltweite Kusskultur untersucht und festgestellt, dass der romantische Kuss nur in 46 Prozent der Kulturen üblich ist.

Ursprung des Kusses

Der Anfang des Kusses in der Evolutionsgeschichte klingt eher unromantisch: Küssen diente zunächst vor allem der Weitergabe zerkleinerter Nahrung an Kinder, die noch nicht selbst kauen konnten. Mit Schneiden und Kochen fiel diese Funktion weg. "Doch das Küssen als eine sehr intime Form der Begegnung blieb erhalten", so der Psychologe und Kussforscher Wolfgang Krüger.

Der erste Kuss

Die erste schriftliche Erwähnung des Küssens findet sich in den indischen Veden, einer 3.500 Jahre alten Sammlung religiöser Texte. "Deshalb wird das Küssen als bewusste, sozial-kulturelle Handlung auf diesen Zeitraum datiert", erklärt der Berliner Kussforscher Krüger.

Der schönste Filmkuss war gar nicht so schön.

Vivian Leigh und Clark Gable rangieren mit ihrem Filmkuss in "Vom Winde verweht" noch immer ganz oben auf der Liste der schönsten Küsse der Filmgeschichte. Was toll aussah, war aber wohl eher nicht so prickelnd. Clark Gable hatte nämlich laut seiner Schauspielkollegin Mundgeruch.

Und jetzt bitte anfassen!

Bei zärtlichem Hautkontakt sendet das Gehirn Befehle.

Noch heftiger geht's in unserem Inneren bei Hautkontakt zu: Dann sendet das Gehirn der Verliebten Befehle an die Muskeln in den Arterien. Sie entspannen sich, die Durchblutung steigt, die Bronchien weiten sich, die Atmung wird flach, das Herz schlägt schneller. Jetzt wäre eine Abkühlung willkommen! Prompt sorgen Schweiß- und Talgdrüsen für kleine Perlen auf der Haut. Dabei setzen sie sexuelle Duftstoffe frei, die dem Partner erst recht den Kopf verdrehen. Und die Nebennierenrinde putscht den Körper mit noch mehr Adrenalin auf.

Liebende im Drogenrausch

6. Juli: Der internationale Tag des Kusses.

Das muss Liiiiebe sein - doch die Reaktionsabläufe sind ganz ähnlich wie bei Angst oder Stress, zum Beispiel in Angriffs- oder Fluchtsituationen. Hoden und Eierstöcke produzieren das Lust steigernde Hormon Testosteron. Jetzt ist der gesamte Organismus hellwach. Beim Höhepunkt setzt der Körper Opiate frei, bei Frauen vor allem das Kuschelhormon Oxytocin. Ein kurzer, aber heftiger Drogenrausch.

Auf der Suche nach Geborgenheit

Ist der erste Liebestaumel vorbei, besteht die Chance zu einer tieferen Bindung. In den Gehirnen beginnt ein Wandel, Gedanken und Gefühle synchronisieren sich, greifen ineinander. Liebe ist wichtig für das emotionale und körperliche Gleichgewicht. Unser Gehirn ist deshalb so programmiert, dass das Alleinsein schmerzt. Unglückliche Beziehungen halten deshalb oft jahrelang.

Bei einer Trennung reagiert der Körper mit heftigen Nebenwirkungen. Um den Liebeskummer zu betäuben, sehnt sich das Gehirn jetzt nach Ersatzbefriedigung. Ist die Trauerphase überwunden, wird sich unser Grundbedürfnis nach Nähe und Geborgenheit wieder durchsetzen: Dann mixt die Chemie der Liebe einen neuen Cocktail.


101