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Galaxiengruppen, Haufen und Superhaufen Soziale Wesen & Kannibalen

Galaxien können Galaxiegruppen angehören. Oder gar Galaxiehaufen oder Superhaufen aus Tausenden von Galaxien. Die Galaxien interagieren miteinander, fressen sich manchmal gegenseitig auf. Was sie bewegt? Die rätselhafte dunkle Materie.

Stand: 17.10.2022 | Archiv

Stephans Quintett lautet der Name einer Galaxiengruppe im Sternbild Pegasus. Diese Galaxiengruppe wurde bereits im 19. Jahrhundert entdeckt und ist auch auf bisherigen Teleskopaufnahmen hübsch anzusehen. Das James Webb-Weltraumteleskop hat diese Galaxiengruppe als Motiv für seine bislang größte Aufnahme verwendet: Die Originalversion des Bildes besteht aus fast 1.000 einzelnen Bilddateien und enthält über 150 Millionen Pixel.
Mit der extrem hohen räumlichen Auflösung im Infrarotbereich kann das James Webb-Weltraumteleskop so Details im Kosmos sichtbar machen, die wir bislang noch nie beobachten konnten. | Bild: NASA, ESA, CSA, and STScI

Galaxien sind gesellige Wesen - sie treten nur selten alleine auf. Unsere Milchstraße etwa gehört zu einer Galaxiengruppe von rund 30 Galaxien, der so genannten Lokalen Gruppe.

Andromeda- und Dreiecksnebel

Sie ist das größte Mitglied der Gruppe, neben dem Andromedanebel, den ihr im Sternbild Andromeda als nebeligen Fleck mit bloßem Auge sehen könnt. Er ist unserer Galaxie sehr ähnlich und rund 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt.

Dreiecksnebel

Die einzig weitere Spiralgalaxie außer den beiden ist der Dreiecksnebel im Sternbild Dreieck: In knapp drei Millionen Lichtjahren Entfernung und viel kleiner als der Andromedanebel ist der Dreiecksnebel immer noch die zweithellste Galaxie am Nordhimmel. Sonst finden sich in der Lokalen Gruppe nur noch Zwerggalaxien.

Große Magellansche Wolke

Zwei davon könnt ihr auf der Südhalbkugel mit bloßem Auge sehen: Die Große und die Kleine Magellansche Wolke, die etwa 150.000 Lichtjahre von uns entfernt sind. Insgesamt hat die Lokale Gruppe eine Ausdehnung von ein paar Millionen Lichtjahren.

Intergalaktische Beziehungen

Eine Galaxiengruppe

Nicht die Nähe macht die Galaxien zur Gruppe - ihre Mitglieder stehen in gravitativer Wechselwirkung: Ihre Schwerkraftfelder wirken aufeinander ein, die Galaxien bewegen sich um- oder aufeinander zu, während im Gegensatz dazu das Universum als Ganzes expandiert. So nähern wir uns kontinuierlich dem Andromedanebel. Manchmal sind sich einzelne Galaxien so nahe, dass sie sich gegenseitig Gas oder gar Sterne entreißen. Zwischen den Magellanschen Wolken und der Milchstraße ist beispielsweise ein Band von neutralem Wasserstoff feststellbar. Und Galaxien verschmelzen mit der Zeit miteinander. Vermutlich gab es anfangs in der Lokalen Gruppe tausende Zwerggalaxien, die inzwischen von der Milchstraße und dem Andromedanebel "verspeist" wurden.

Haufen & Superhaufen

Virgohaufen

Sehr große Gruppen mit tausenden Galaxien werden als Galaxienhaufen bezeichnet. Der Virgohaufen im Sternbild Jungfrau etwa hat rund 2.000 Galaxien, deren hellste und größte ihr mit einem Teleskop entdecken könnt. Der ganze Galaxienhaufen erstreckt sich über eine scheinbare Größe von 8 Grad am Himmel - 16-mal größer als der Vollmond!

Galaxienhaufen Abell 370

Galaxienhaufen sind noch nicht die größten Strukturen im Universum - denn selbst die Gruppen und Haufen gehen Wechselwirkungen miteinander ein: Sie tendieren dazu, sich in Superhaufen anzuordnen: filamentartige Strukturen, wie die Fasern in einem Naturschwamm - um große, absolut leere Räume dazwischen, die so genannten Voids mit einer Ausdehnung bis zu 300 Millionen Lichtjahren. Unsere Lokale Gruppe etwa bewegt sich auf den Virgohaufen zu und bildet mit ihm den Virgo-Superhaufen. Warum sich diese gigantischen Strukturen ausbilden, ist bis heute nicht genau bekannt. Doch warum Galaxien überhaupt in Gruppen auftreten, können Astrophysiker erklären.

Dunkle Materie - die unsichtbare Kraft

Galaxienhaufen sind durch Gravitation gebundene Strukturen: Schwerkraft wirkt auf die einzelnen Galaxien, so dass sie sich trotz der kontinuierlichen Ausdehnung des Universums einander annähern oder umkreisen. Und Galaxien bewegen sich sehr schnell - bis zu tausend Kilometer pro Sekunde. Als "Motor" für diese Bewegung ist eine gewaltige Masse nötig - mehr, als die Galaxien selbst aufzuweisen haben. Hier kommt etwas ins Spiel, was der Astrophysik bis heute Kopfzerbrechen bereitet: Dunkle Materie.

Bis heute weiß man nur wenig über sie - außer, dass sie da sein muss, als Masse, deren Gravitationskraft die Galaxien bewegt - und überhaupt die Bildung von Galaxien möglich macht. Dunkle Materie reagiert nicht auf Licht und Strahlung - daher lässt sie sich nicht sichtbar machen. Sie sendet kein Licht aus, sie reflektiert es nicht - und sie schluckt es auch nicht.

Aber: Sie bewegt die leuchtende Materie. Sie bildete mit ihrer Masse "Schwerkrafttöpfe", in die leuchtende Materie hineinfallen und so die ersten Galaxien bilden konnte. Astrophysiker vermuten, dass die Galaxien von Anfang an in Gruppen und Haufen von Zwerggalaxien entstanden sind - in den Schwerkraftmulden dunkler Materie wie in riesigen Gussformen.

Wenn die Milchstraße dem Andromedanebel begegnet...

Galaxien-Zusammenstoß

Auch unsere Lokale Gruppe bestand wohl aus tausenden Zwerggalaxien, die im Lauf der Zeit zu größeren Galaxien verschmolzen. Heute sind die Milchstraße und der Andromedanebel die Giganten unserer Galaxiengruppe - und Zwerggalaxien gibt es nurmehr rund zwei Dutzend. Irgendwann, in einigen Millionen Jahren, werden auch Milchstraße und Andromedanebel einander begegnen. Allerdings ist die Begegnung zweier Sternsysteme sanfter, als man annehmen mag: Galaxien bestehen im Großen und Ganzen aus Nichts - die Abstände zwischen den einzelnen Sternen sind so gewaltig, dass sie nicht einmal dann zusammenstoßen, wenn sich eine Galaxie komplett durch eine andere hindurchbewegt.

Kräftemessen der Galaxien

Doch die enormen Schwerkraftfelder der Galaxien wirken aufeinander. Schon wenn sich Galaxien nahe kommen, reißen sie sich Gasnebel und einzelne Sterne heraus. Gasbrücken zwischen den Galaxien entstehen, in denen sich wieder neue Sterne bilden. Die Schwerkraft einer anderen Galaxie kann wie der Mond bei der Erde als Gezeitenkraft wirken: Schon ihr Vorbeiziehen sorgt für eine "Gasebbe" - die Gaswolken rasen ins Zentrum der Galaxie und verdichten sich dort so sehr, dass es zu einem starken Sternentstehungs-Ausbruch kommt - viele neue, heiße Riesensonnen im Inneren der Galaxie. Im Verlauf von Jahrmillionen, wenn die zweite Galaxie längst vorbei- oder hindurchgewandert ist, bewegen sich die Gaswolken wieder nach außen. Dabei können sich wieder verdichtende Gasringe bilden, neue Sternentstehungsgebiete. Irgendwann führen die Kollisionen mit anderen Galaxien dazu, dass sämtliches Gas aus einer Galaxie verschwindet und keine neuen Sterne in ihr mehr entstehen können, wie bei den riesigen elliptischen Galaxien.


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