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Extremwetter durch Klimawandel Mehr Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Orkane

Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen extremen Wetterphänomenen und dem Klimawandel? Wissenschaftler können dies mit verfeinerten Klimamodellen und schnelleren Computern herausfinden.

Stand: 26.08.2022

Zum Sonnenaufgang im Harz färbt sich der Himmel am Horizont. Im Vordergrund stehen abgestorbene Bäume. | Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Matthias Bein

Die Durchschnittstemperatur ist das eine. Natürlich ist es in unseren Breitengraden im Sommer durchschnittlich wärmer als im Winter. Wie das Wetter ist oder wird, lässt sich durch verschiedene Eigenschaften angeben, Temperatur ist nur eine davon. Das Wetter lässt sich auch durch Druck und Dichte der Atmosphäre beschreiben. Ihr Zusammenspiel bestimmt, ob bei uns auf der Erde die Sonne scheint, ob sie von einer Wolkendecke verborgen wird, ob wir einen Regenschirm, lieber die Sonnenbrille oder eine winddichte Jacke einpacken sollten.

Aber dann gibt es auch noch Extremwettererscheinungen. Das sind außerordentliche Wettererscheinungen wie Starkregen, schwere Gewitter, orkanartige Windböen oder eine anhaltende Dürre. Ob derartiges Extremwetter wirklich extrem ist, hängt auch immer vom beobachteten Gebiet ab. Während schneebedeckte Pyramiden in Ägypten eine Sensation wären, würde man sich hierzulande eher Sorgen machen, würde gar kein Schnee fallen. Dafür gibt es in der ägyptischen Hauptstadt Kairo nur knapp zwei Dutzend Millimeter Niederschlag pro Jahr, was als völlig normal gilt.

Was ist Extremwetter?

Extremwetter ist kein meteorologischer Begriff. Das Phänomen beschreibt vielmehr ein außerordentliches Wetterereignis – sintflutartiger Regenfall, ein schweres Gewitter, Dürre, Sturm, ein Tornado, extremer Schneefall, Glätte, eine orkanartige Windböe – das statistisch selten in seiner Wiederkehr, Größe und/oder Dauer ist. Um solch ein Extremereignis zu erkennen, benötigt man valide Vergleichs- und Beobachtungsdaten und muss einen Vergleichszeitraum angeben. Diese klimatologische Normalperiode muss immer auf einen klar definierten geografischen Raum bezogen sein.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet für die Zukunft mit mehr Stürmen, extremen Regenfällen und Hitzewellen aufgrund der Klimaerwärmung - also "mehr Extremwetter". Zwar ist es schwierig, einen Zusammenhang zwischen einem einzelnen, per Definition extremen, Ereignis und dem Klima herzustellen. Aber die beobachtete Häufung solcher Ereignisse kann inzwischen als Indiz dafür gewertet werden, dass die Annahme vieler Klimaforscher stimmt. Diese Annahme lautet, dass Extremwetter mit steigenden Temperaturen zunehmen. Der statistische Nachweis ist zwar nicht ganz einfach, da kurze Beobachtungszeiträume, die natürliche Klima-Variabilität sowie die flächendeckende Erfassung kleinräumiger Ereignisse - zum Beispiel Starkregen oder Gewitter - schwierig sind. Aber seit einigen Jahren kommen Wissenschaftler dem Zusammenhang zwischen dem Extremwetter und dem Klimawandel mithilfe von verfeinerten Klimamodellen und schnelleren Computern immer öfter auf die Spur: Diese Wissenschaft nennt sich Zuordnungsforschung, auch Attributionsforschung genannt.

Die Wettermaschine: Sonne, Wolken, Hochs, Tiefs, Jetstreams ...

Wetter ist ein chaotisches und sehr komplexes System. Verändert sich ein Parameter, wie die durchschnittliche Temperatur, so hat das gravierende Folgen.

Wetter vs. Klima: Klimawandel und Extremwetter

Hitze in Hamburg: Extremwetter, das mit dem Klimawandel zusammenhängt - oder nur ein schöner Sommertag?

Wetter ist ein kurzfristiges Phänomen. Es beschreibt den kurzfristigen Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Das Klima hingegen ist eine eher langfristige Angelegenheit. Meist über einen Zeitraum von mehreren Dutzend Jahren beschreibt das Klima die typischen Verhältnisse anhand einer Vielzahl von Einzelbeobachtungen. Deshalb kann man aus einer derartigen Einzelbeobachtung, zum Beispiel einem regnerischen Tag im Juli, keine Rückschlüsse über das Klima ziehen. Erst über jahrzehntelange Beobachtungen aller Tage im Juli und im Jahr können Wissenschaftler sagen, ob dieser eine regnerische Tag zu den typischen Klimaverhältnissen der beobachteten Region passt - oder eben nicht.

Extremwetter ist ein außergewöhnliches Ereignis, das nur selten auftritt. Mit einem Klimamodell aber können Wissenschaftler noch nicht einmal vorhersagen, ob am nächsten Tag die Sonne scheinen wird oder nicht. Klimamodelle beschreiben, genau wie das Klima selbst, eher langfristige Tendenzen. Ob ein einzelnes Dürrejahr oder ein einzelnes Starkregenereignis nun der Klimawandel alleine verursacht hat und ohne diesen überhaupt nicht stattgefunden hätte, lässt sich zwar nicht herausfinden. Aber um herauszufinden, inwieweit Extremwetterereignisse mit der Erderwärmung im Zuge des Klimawandels zusammenhängen, können sich Wissenschaftler etwas einfallen lassen. Dieses Forschungsfeld nennt sich Zuordnungs- oder Attributionsforschung.

Extremwetter in Deutschland und in Bayern

Was Extremwetter anrichten kann, zeigt sich in Teilen Deutschlands immer mal wieder: Ausnahmezustand aufgrund sintflutartiger Regenfälle. Aufgrund von extremem Dauerregen und daraus resultierendem Hochwasser müssen mitunter ganze Wohngebiete evakuiert werden. Oder eine Hitzewelle beeinträchtigt ganze Regionen.

Starkregen und Dauerregen in Deutschland 2001 bis 2020

Lässt sich Extremwetter vorhersagen?

Extremwetterereignisse wie Starkregen, Stürme oder Hitzewellen sind unterschiedliche meteorologische Phänomene. Das beeinflusst auch, wie gut oder wie schlecht sie sich vorhersagen lassen. Prinzipiell gilt: Je größer, desto leichter lässt sich ein Wetterereignis abschätzen. Es hängt auch von der räumlichen Ausdehnung ab, ob man dieses Tage, Stunden oder eher gar nicht vorhersagen kann.

Lässt sich Extremwetter vorhersagen?

Hitzewellen

2021: Hitzewelle in Kanada

Hitzewellen sind Wetterphänomene, die meist über einen längeren Zeitraum und über ausgedehntere Regionen stattfinden. Das macht ihre Vorhersage prinzipiell ziemlich einfach. Einige Tage oder manchmal sogar eine Woche vor dem Eintreten eines solchen Ereignisses kann es sich in den Vorhersagen abzeichnen. Doch diese vermeintliche Einfachheit hat ihre Tücken: Hitzewellen sind die Extremwetterereignisse mit den meisten Todesopfern. Die Hitzewelle in Europa im Jahr 2003 hat Schätzungen zufolge bis zu 70.000 Todesopfer gefordert.

Dürre

2021: Dürre in Kalifornien

Dürre ist streng genommen kein meteorologisches Phänomen. Meterologinnen und Meterologen können lediglich eine Trockenheit vorhersagen, also dass über einige Tage hinweg wahrscheinlich kein Niederschlag fallen wird. Und es gibt Jahreszeitprognosen, die Vorhersagen treffen können, ob es in diesem Zeitraum unterdurchschnittlich oder überdurchschnittlich viel regnen wird. Ob daraus eine Dürre wird, hängt von weiteren Faktoren wie beispielsweise der Bodenfeuchte ab.

Stürme und Orkane

2007: Waldschäden nach dem Orkan Kyrill

Sturm ist nicht gleich Sturm: Die großen Sturmtiefs des Winters sind in aller Regel relativ früh zu erkennen. So war beispielsweise beim Orkan Kyrill des Jahres 2007 schon einige Tage vorher klar, dass ein Sturmtief auf Europa zukommen könnte, eine Frühwarnung war möglich. Derartige Stürme sind großräumige Ereignisse. Allerdings kann sich in manchen Fällen am Rand eines Tiefs ein besonders großes Randtief bilden, ein sogenannter Schnellläufer. Diese zeichnen sich in manchen Fällen erst 24 Stunden vor ihrem Eintreten ab.

Starkregen

Simbach nach Starkregen 2016 und 2021

Bei Starkregen wird es richtig schwierig - denn ein Starkregenereignis ergibt sich oft in Zusammenhang mit einem lokalen Unwetter. Bei lokalem Starkregen ist es fast unmöglich, vorherzusagen, an welchem Ort er fallen wird. So kann eine Ortschaft von Regenmassen überflutet werden, während die Nachbargemeinden einige Kilometer daneben relativ glimpflich davonkommen: So geschehen in Simbach im Jahr 2016. Die Vorwarnzeit ist daher äußerst gering, wenn überhaupt vorhanden. Das Potenzial eines solchen Ereignisses kann somit lediglich in einer bestimmten Region als deutlich erhöht angegeben werden. Länger andauernde Starkregenbiete bzw. Starkniederschläge wiederum sind besser vorhersagbar. Das hängt auch mit ihrer Großräumigkeit zusammen.

Der Einfluss des Klimawandels auf das Wetter

Bayerns Klimastreifen: Die Visualisierung zeigt, wie sehr Bayern sich im Mittel von den Jahren 1881 bis 2019 erwärmt hat.

Seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 hat sich die durchschnittliche Temperatur in Deutschland bereits erhöht: Von 1881 bis 2019 vermisst der Deutsche Wetterdienst DWD einen Temperaturanstieg von 1,6 Grad Celsius. Eine erhöhte Temperatur der Luft hat Einfluss auf das Wetter: Bei einer Erwärmung von einem Grad kann die Luft sieben Prozent mehr Wasser aufnehmen. Speziell Osteuropa, der Osten Deutschlands und Teile Bayerns geraten zudem immer stärker unter Mittelmeereinfluss. Dabei kann sich ein Tief über dem Mittelmeer wie ein Schwamm voll Wasser saugen, zieht östlich an den Alpen vorbei und regnet sich in Mittel- und Osteuropa ab. Gerade der Mai bietet nach Angaben der Meteorologen hohes Unwetterpotenzial. Wegen der starken Sonneneinstrahlung habe sich der Kontinent bereits erwärmt, die feuchte Luft über dem Meer sei aber noch recht kalt. Die Temperaturgegensätze und die Luftfeuchtigkeit lassen Tiefdruckgebiete über Mitteleuropa entstehen.

Der Klimawandel bedeutet auch in Deutschland nicht nur eine Veränderung der mittleren Verhältnisse, also einen Anstieg der mittleren Temperatur. Er bedeutet auch eine Veränderung der Extremwerte: Tendenziell gibt es mehr heiße Tage und weniger Frosttage. Die Anzahl von Hitzewellen nimmt zu - und was früher extrem war, ist heute schon fast normal. Deshalb bedeutet der Klimawandel auch mehr Extremwetter. Eine gesteigerte mittlere Temperatur erhöht das Risiko für Dürren, Waldbrände und Hitzewellen.

"Die Hitze-Extreme nehmen nicht einfach nur deshalb zu, weil wir den Planeten erwärmen, sondern weil der Klimawandel zusätzlich Luftströme stört, die wichtig sind für die Entstehung unseres Wetters. Die verringerten täglichen Schwankungen, die wir beobachten, führen zu länger anhaltenden Wetterlagen. Und diese lassen Extreme entstehen, die sich über Wochen erstrecken."

Dim Coumou, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

Mehr als doppelt so viele gefährliche Hitzetage bis 2050

So errechneten Forscher aus den USA, dass sich auch in unseren gemäßigteren Breiten die Tage mit gefährlicher Hitze bis 2050 mehr als verdoppeln werden. Bis 2100 werden es sogar drei bis zehn Mal so viele Tage mit gefährlicher Wetterlage sein wie im Vergleichszeitraum zwischen 1979 bis 1998. Die Klassifizierung "gefährlich" stammt aus dem Hitzeindex des nationalen Wetterdienstes der USA. Dieser beruht auf dem Effekt von Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf den Menschen, dem sogenannten Hitzestress. Übersetzen könnte man das mit gefühlter Temperatur. Ab 39,4 Grad Celsius gilt sie als gefährlich, ab 51,1 Grad Celsius als extrem gefährlich. Hierbei kann es innerhalb weniger Stunden zum Hitzschlag kommen.

Noch gefährlicher wird die Situation den Wissenschaftlern zufolge in den subtropischen und tropischen Klimazonen: Hier errechneten sie gefährliche Hitze für die Mehrheit der Tage im Jahr - und das ist das mittlere Szenario ihrer Modellrechnung mit einer Steigerung der globalen Durchschnittstemperatur um drei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum. In Regionen südlich der Sahara, auf der Arabischen Halbinsel und in Indien würde es sich demnach sogar an mehr als 15 Tagen im Jahr heißer als 51,1 Grad anfühlen.

Extremwetter: Starkregen, Schlammlawinen, Überschwemmungen, Hochwasser

Wissenschaftler gehen vor allem in Bezug auf Starkniederschlagereignisse - also die sintflutartigen Regenfälle - davon aus, dass die Regenmengen mit der globalen Erwärmung zunehmen werden. Der DWD merkt dazu an, dass von 2001 bis 2019 fast jeder Ort Deutschlands von einem Starkregenereignis betroffen war, und Dauerregen besonders die Gebirgsregionen trifft. Sogar in heißen und trockenen Jahren gab es viele Starkregenereignisse. Im Prinzip kann es also überall in Deutschland zu extremen Unwettern, Sturzregen und Überschwemmungen kommen. Allerdings kann der Starkregen in bergigen Gegenden besonders heftig ausfallen. Deshalb sind das Erzgebirge, der Alpenrand oder der Schwarzwald besonders betroffen. Das liegt daran, dass sich dort Regen- und Gewitterwolken besonders stauen und der Niederschlag dort dann intensiver fällt als anderswo.

"Wenn Sie in der bodennahen Atmosphäre mehr Energie haben, weil die Treibhausgas-Konzentrationen gestiegen sind und einen höheren Wärmegehalt in den unteren Atmosphärenschichten bedingen, dann sollten Sie alleine vom Standpunkt der physikalischen Plausibilität davon ausgehen, dass es in Zukunft mehr extreme Ereignisse gibt."

Prof. Heiko Paeth, Institut für Geographie und Geologie, Lehrstuhl für Physische Geographie, Julius-Maximilian-Universität Würzburg

Die Häufigkeit von Extremwetterereignissen in Deutschland steigt

Im August 2005 ist das Kloster Weltenburg bei Kehlheim umschlossen - von Hochwasser der Donau. In den letzten Jahren keine seltene Gefahr.

Obwohl es regionale Unterschiede und auch Unsicherheiten gibt, welche Auswirkungen einzelne veränderte Parameter genau haben, ist somit prinzipiell klar, dass der Klimawandel zu mehr Extremwetterereignissen in Deutschland führen sollte. Und tatsächlich wird eine Zunahme von Extremwettern in Deutschland beobachtet. Im Einzelfall aber hilft diese Beobachtung zunächst wenig. Zwar ist ein Unwetterpotenzial in den Wettervorhersagen Tage vorher zu erkennen. Aber wo genau mehr als hundert Liter Regen pro Quadratmeter fallen werden, kann oft nur Minuten vorher gesagt werden. Feuerwehr und Katastrophenschutz sind direkt mit dem DWD vernetzt und erhalten über eigene, ausfallsichere Systeme ständig Informationen. Sie können Warn-Meteorologen auf Hotlines erreichen. Wenn eine extreme Unwetterlage erkennbar sei, kann der DWD Extraschichten einrichten.

Extremwetter weltweit

Bericht der Weltorganisation für Meteorologie

2021 eines der sieben wärmsten Jahre seit Aufzeichnung

Das Jahr 2021 war laut der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) eines der sieben wärmsten Jahre seit der Aufzeichnung der Wetterdaten. Trotz des Wetterphänomens La Niña von 2020 bis 2022, das kühlend wirkt und die globale Durchschnittstemperatur kurzzeitig senkt, reiht sich 2021 in die Negativ-Rekordliste ein, nachdem 2020 das zweitheißeste Jahr überhaupt war.

Dürre in Kalifornien

Somit lag die globale Durchschnittstemperatur etwa 1,11 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau von 1850 bis 1900. Das Rekordjahr bisher ist 2016 mit einem Plus von 1,2 Grad Celsius. Die sieben wärmsten Jahre fanden alle seit 2015 statt - alle lagen mindestens ein Grad über dem vorindustriellen Niveau. Und die WMO befürchtet, dass sich die globale Erwärmung und andere langfristige Trends des Klimawandels wegen der rekordhohen Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre, die die Wärmestrahlung absorbieren, fortsetzen.

Rekordtemperaturen von fast 50 Grad trotz La Niña

Bereits seit 1980 war jedes Jahrzehnt wärmer als das davor. Dieser Trend setzt sich fort, die Unterschiede zwischen den Jahren seit 2015 sind teilweise marginal. 2016, 2019 und 2020 zählen als die wärmsten. 2016 vor allem wegen des Wetterphänomens El Niño, das die globalen Durchschnittstemperaturen auf ein Rekordhoch hat steigen lassen. Durch La Niña wurde die Erwärmung 2021 als weniger schlimm erwartet - dennoch war das Jahr wärmer als andere Jahre mit dem gleichen Phänomen, wie beispielsweise 2011.

“Das Jahr 2021 wird mit Rekord-Temperaturen von fast 50 Grad Celsius in Kanada in Erinnerung bleiben, die vergleichbar sind mit den Werten, die in der Sahara in Algerien aufgezeichnet wurden, den außergewöhnlichen Regenfällen und tödlichen Fluten in Asien und Europa, aber auch den Dürren in Teilen von Afrika und Südamerika. Die Folgen des Klimawandels und wetterbedingte Gefahrenlagen haben lebensverändernde und verheerende Folgen für die Menschen auf jedem Kontinent gehabt,” erinnert WMO-Generalsekretär Petteri Taalas.

Wichtig bleibt dabei: Die Temperatur ist nur ein Indikator des Klimawandels. Weitere sind Treibhausgaskonzentrationen, der Wärmegehalt und pH-Wert der Weltmeere, der globale mittlere Meeresspiegel, Gletschermasse und die Ausdehnung des Meereises.

Beispiele von weltweiten Extremereignissen 2021 - I

Die Zusammenfassung der WMO, die die Daten von Januar bis September 2021 berücksichtigt, nennt viele Beispiele für Wetterextreme, darunter:

  • Am 14. August regnete es mehrere Stunden lang auf dem Gipfel vom Grönländischen Eisschild - auf 3.216 Metern Höhe. Die Temperaturen blieben über neun Stunden lang über dem Gefrierpunkt. Seit Aufzeichnung der Wetterdaten hat es niemals zuvor auf dem Gipfel geregnet.
  • Im Juni und Juli brachen mehrere Hitzewellen im westlichen Nordamerika die Rekorde der Wetterstationen - bei teilweise vier bis sechs Grad Celsius über dem bisherigen Rekord. Hunderte Menschen starben. In Lytton im kanadischen British Columbia wurden am 29. Juni 49,6 Grad Celsius gemessen - das sind 4,6 Grad Celsius mehr als der bisherige Rekord. Am nächsten Tag wurden große Teile der Gemeinde durch einen Brand zerstört.
  • Auch im Südwesten der USA gab es mehrere Hitzewellen. Im Death Valley in Kalifornien wurden am 9. Juli 54,4 Grad Celsius gemessen - ein ähnlicher Wert wie 2020 und damit weltweiter Rekord seit den 1930er Jahren. Insgesamt war es der heißeste Sommer des US-amerikanischen Festlands seit Aufzeichnungsbeginn.
  • Vor dem Mittelmeerraum machte die extreme Hitze ebenfalls nicht Halt: Am 11. August maß eine Wetterstation auf Sizilien 48,8 Grad Celsius, was einen vorläufigen Rekord in Europa darstellte. In Kairouan in Tunesien wurden gleichzeitig 50,3 Grad Celsius erreicht. Drei Tage später wurde ein neuer spanischer Rekord mit 47,4 Grad Celsius in Montoro gemessen. Auch Madrid verzeichnete am 14. August mit 42,7 Grad Celsius den heißesten Tag seit Aufzeichnungsbeginn.

Beispiele von weltweiten Extremereignissen 2021 - II

  • 2021 gab es diverse verheerende Waldbrände: Am 13. Juli begann das Dixie Fire im nördlichen Kalifornien und brannte bis zum 7. Oktober etwa 390.000 Hektar (3.900 Quadratkilometer) Land nieder. Der größte einzelne Waldbrand in der Geschichte Kaliforniens.
  • Am 20. Juli wurde in der Türkei ein neuer Rekord mit 49,1 Grad Celsius in Cizre verzeichnet und im georgischen Tiflis wurde eine Rekordtemperatur von 40,6 Grad Celsius gemessen. Gleichzeitig wüteten in der Region große Waldbrände. Algerien, der Süden der Türkei und Griechenland waren am schlimmsten betroffen.
  • Ungewöhnlich kalt wurde es dagegen Mitte Februar in der Mitte der USA und im Norden von Mexiko. Die größten Auswirkungen waren in Texas zu spüren - mit den niedrigsten Temperaturen seit 1989. Auch in vielen Teilen Europas wurde es Anfang April nochmal sehr kalt für Frühling. In Deutschland war er mit 6,1 Grad Celsius der kälteste April seit 40 Jahren.
  • Die chinesische Provinz Henan dagegen litt vom 17. bis 21. Juli unter starken Regenfällen. Die Stadt Zhengzhou stellte mit 201,9 Millimeter Regen pro Stunde einen neuen chinesischen Rekord auf. In sechs Stunden waren es 382 Millimeter und insgesamt 720 Millimeter. Das ist mehr als der Durchschnitt des gesamten Jahres. Durch Sturzfluten kamen mindestens 302 Menschen ums Leben. Der wirtschaftliche Schaden beziffert sich auf 17,7 Milliarden US-Dollar.
  • Mitte Juli gab es auch im Westen Europas eine der schlimmsten Flutkatastrophen seit Aufzeichnung.

Beispiele von weltweiten Extremereignissen 2021 - III

  • Im Westen von Deutschland und Osten von Belgien fielen vom 14. auf den 15. Juli 100 bis 150 Millimeter Niederschlag über eine große Fläche verteilt. Allerdings waren die Böden bereits gesättigt, weshalb es zu Überschwemmungen und Erdrutschen kam, bei denen mehr als 200 Menschen starben. Der höchste Niederschlag am Tag wurde mit 162,4 Millimetern in Wipperfürth-Gardenau gemessen.
  • Im ersten Halbjahr fiel konstant mehr Niederschlag in Teilen des nördlichen Südamerikas als durchschnittlich, vor allem im nördlichen Amazonas Becken, was zu erheblichen und langanhaltenden Überschwemmungen führte. So erreichte der Rio Negro im brasilianischen Manaus einen Höchststand. Auch im Osten Afrikas brachten Überflutungen verheerende Folgen mit sich, vor allem im Südsudan.
  • Im subtropischen Südamerika hatten die Menschen vor allem mit Dürre zu kämpfen - im zweiten Jahr in Folge. Im südlichen Brasilien, Paraguay, Uruguay und im Norden von Argentinien gab es viel weniger Regen als üblich. Die Trockenheit führte zu enormen landwirtschaftlichen Verlusten, die durch einen Kälteeinbruch Ende Juli noch verschärft wurden: Viele Kaffeeanbau-Regionen in Brasilien wurden dadurch beschädigt. Niedrige Flusspegel wirkten sich negativ auf die Produktion von Wasserkraft aus und störten den Flusstransport.
  • Die 20 Monate von Januar 2020 bis August 2021 zählen zu den trockensten im Südwesten der USA - mit mehr als zehn Prozent unter dem bisherigen Rekord. Der Weizen- und Rapsanbau in Kanada wird 2021 voraussichtlich 30 bis 40 Prozent unter dem Wert von 2020 liegen. In Teilen von Madagaskar führte die Dürre zu einer Unterernährungskrise.

Extremwetter – natürlich oder menschengemacht?

War diese Hitzewelle Zufall oder steckt der Klimawandel dahinter? Und was ist mit dem Starkregen, oder dem Orkan, der Dürre oder auch der Kältewelle? Es ist für ein einzelnes Ereignis, egal wie extrem es auch sein mag, unmöglich, zu sagen: Der Klimawandel ist die Ursache. Jedes Wetterereignis könnte rein zufällig auftreten oder Teil der natürlichen Variationen des Wetters sein. Auch Extremwetter hat es schon lange vor dem Klimawandel gegeben.

Allerdings ist klar, dass der Klimawandel Einfluss auf das Wetter und auf Extremwetter hat. Aus Beobachtungen und Klimamodellen ist offensichtlich, dass der Klimawandel bestimmte Extremwetterereignisse entweder wahrscheinlicher oder aber stärker macht. Das betrifft vor allem Hitzewellen und Starkregen aber auch Hochwasser. Aber ob ein einzelnes Ereignis nun wirklich auf das Konto des Klimawandels geht, konnten Forschende bis vor Kurzem nicht wirklich sagen. Das noch recht junge Forschungsfeld der Zuordnungsforschung ändert dies seit einigen Jahren.

Attributionsforschung: Extremwetter dem Klimawandel zuordnen

Zuordnungsforschung wird auch Attributionsforschung genannt. Es handelt sich dabei um ein noch recht junges Forschungsfeld. Forschende, die sich mit der Attributionsforschung beschäftigen, wollen extreme Wetterereignisse zuordnen, indem sie herausfinden, inwieweit der menschengemachte Klimawandel dafür verantwortlich sein könnte. Dabei gibt es unterschiedliche Methoden und Herangehensweisen. Eine Methode besteht darin, klimatische Parallelwelten am Computer zu erschaffen. Virtuelle Welten ohne Klimawandel und virtuelle, "echte" Welten mit Klimawandel werden dann miteinander verglichen, um herauszufinden, wie oft und wie stark gewisse Extremwetterereignisse auftreten.

Wie funkioniert die Zuordnungsforschung?

Mithilfe von komplexen Klimamodellen und leistungsfähigen Computern ist es inzwischen durchaus möglich, für bestimmte Extremwetterereignisse Aussagen darüber zu treffen, ob diese "menschengemacht" oder "natürlichen Ursprungs" sind. Ein Beispiel: Klimaforscher konnten zeigen, dass eine Hitzewelle, unter der die russische Region Sibirien im Jahr 2020 litt - in der Stadt Werchojansk wurden am 20. Juni 2020 38 Grad Celsius gemessen - ohne den Klimawandel fast unmöglich gewesen wäre. Ohne Klimawandel käme es nämlich nur etwa alle 80.000 Jahre zu einer solchen Extremwetterlage. Doch der Mensch erhöht durch die Treibhausgas-Emissionen die Wahrscheinlichkeit für solche Hitzewellen um das 600-fache.

Attributionsforschung: eine Karte des menschengemachten Extremwetters

Die Klimawebsite Carbon Brief hat eine interaktive Karte zusammengestellt, auf der sie bis dato mehr als 350 wissenschaftliche Studien sammelt, die sich mit der Zuordnung von Extremwetterereignissen beschäftigen. Ihre Analyse zeigt, dass 70 Prozent der 405 untersuchten Extremwetterereignisse durch den menschengemachten Klimawandel entweder wahrscheinlicher oder stärker gemacht wurden, 9 Prozent hingegen weniger wahrscheinlich oder schwächer. Das bedeutet: 79 Prozent aller untersuchten Ereignisse waren bis zu einem gewissen Grad vom Klimawandel und dadurch vom Menschen beeinflusst.


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